Die Kongresshalle wurde im Auftrag von Adolf Hitler von 1935 bis 1939 für die „Stadt der Reichsparteitage“ auf dem „Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg gebaut. Er hätte dort vor 50.000 Zuschauer*innen seine Propagandareden gehalten. Abseits der Reichsparteitage wäre die Kongresshalle eine der größten repräsentativen Bauten für „deutsche Kunst“ geworden. Der Bau wurde aufgrund des deutschen Angriffskriegs nie fertig gestellt.
Nun soll gerade dort das sogenannte „Kulturareal Kongresshalle“ (Aktuell geplante Kosten 211 Mio. Euro) verwirklicht werden. Das umfasst derzeit den Neubau des Opernhauses im Innenhof, aber auch „Ermöglichungsräume“ im Gebäude, beispielsweise Galerien, 25 Ateliers und wenige Bandproberäume. Eine derartige kulturelle Instrumentalisierung, mit der das gesamte Areal unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur kommerziell erschlossen wird, dient auch der Aufwertung des neu enenstehenden Stadtteil Lichtenreuth mit der dort ebenfalls neu angesiedelten technischen Universität. Im Zuge dessen begann die Stadt Nürnberg im Jahr 2023 einen Bruchteil des Kongresshallen-Gebäudes als Ort für Kunstausstellungen und andere Kulturveranstaltungen wie Konzerte zu nutzen. Die so behaupteten Räume wurden zuerst mit dem Namen „White Cube“ bezeichnet, um dann kurz darauf in „Segment #1“ umbenannt zu werden.
Können die Überreste des zweitgrößten nationalsozialistischen Repräsentationsbau ein Ort für Kunstfreiheit sein? Wie verhindert man, dass beispielsweise Rechtsrockbands dort einen Proberaum bekommen? Wird Richard Wagner in Zukunft aus dem Spielplan der Oper gestrichen werden? Warum dürfen dort Partys stattfinden? Wer geht überhaupt in die Oper, wer besucht das Dokumentationszentrum? Wie kann es sein, dass der Denkmalschutz von Seiten der Verantwortlichen von Stadt, Staat und Bund gezielt übergangen wird und sich kritische Stimmen nicht äußern dürfen? Warum intressiert das alles eigentlich so wenige?
Ich stehe ungefähr in der Mitte des Eingangs zum Innenhof des Nazi-Baus. Ich drehe mich im Kreis und filme dabei die unverkleideten Ziegelsteinwände der Kongresshalle mit meinem Smartphone, während die Sonne untergeht, Raben krähen und die „Nürnberger Symphoniker“ im südlichen Kopfbau klassische Musik spielen. Letzteres lässt bereits jetzt schon erahnen, wie es sein wird, wenn die neue Oper dort steht.
Ohne Titel (ad interim) ist ein persönliches Zeitdokument, dass ausdrückt, wie schwer die realen und virtuellen Dimensionen um diesen Ort zu fassen und zu vermitteln sind. Ich möchte den Schwindel nachempfinden, den ich fühle, in Anbetracht der Informationsmenge, der Ideologie der Verbrechen, der erzwungenen Umnutzung im Zeichen von Kunst und Kultur durch die verantwortlichen Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der Stadt Nürnberg. Ich will die schweren Mauern abscanen, um jeden einzelnen Fleck zu erfassen, zu behalten, aber in schlechter Auflösung, um das Gebäude nicht zu überhöhen. Verschiedene Ausschnitte erzeugen, aber ohne auf das Ganze zu verzichten.
Video ist ein Medium, dass dokumentarische Objektivität behauptet, aber durch die Kameraführung zugleich Persönlichkeit transportiert, den subjektiven Blick. Dabei wird die mediale Objektivität nur wenig angetastet, alles scheint weiterhin faktisch. Es ist meine Entscheidung. Ich möchte keine Schnitte, sondern es aushalten, in Echtzeit. Eine Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe im Land der Täter*innen, in dem sich rechtsradikale Kräfte in Öffentlichkeit und Politik wieder frei und unabhängig bewegen. Eine Entwicklung, die weltweit zu beobachten ist.
Der Innenhof ist aufgrund der Sanierungs- und Umbauarbeiten aktuell nicht mehr zugänglich. Mit dem Neubau des Opernhauses und der entsprechenden Erschließung des Innenhofs wird die ursprüngliche Architektur der Kongresshalle, die als Mahnmal den Größenwahn der Nationalsozialist*innen erfahrbar werden lässt, unwiderrruflich verloren sein.
Text: Julius Jurkiewitsch
Die Kongresshalle wurde im Auftrag von Adolf Hitler von 1935 bis 1939 für die „Stadt der Reichsparteitage“ auf dem „Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg gebaut. Er hätte dort vor 50.000 Zuschauer*innen seine Propagandareden gehalten. Abseits der Reichsparteitage wäre die Kongresshalle eine der größten repräsentativen Bauten für „deutsche Kunst“ geworden. Der Bau wurde aufgrund des deutschen Angriffskriegs nie fertig gestellt.
Nun soll gerade dort das sogenannte „Kulturareal Kongresshalle“ (Aktuell geplante Kosten 211 Mio. Euro) verwirklicht werden. Das umfasst derzeit den Neubau des Opernhauses im Innenhof, aber auch „Ermöglichungsräume“ im Gebäude, beispielsweise Galerien, 25 Ateliers und wenige Bandproberäume. Eine derartige kulturelle Instrumentalisierung, mit der das gesamte Areal unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur kommerziell erschlossen wird, dient auch der Aufwertung des neu enenstehenden Stadtteil Lichtenreuth mit der dort ebenfalls neu angesiedelten technischen Universität. Im Zuge dessen begann die Stadt Nürnberg im Jahr 2023 einen Bruchteil des Kongresshallen-Gebäudes als Ort für Kunstausstellungen und andere Kulturveranstaltungen wie Konzerte zu nutzen. Die so behaupteten Räume wurden zuerst mit dem Namen „White Cube“ bezeichnet, um dann kurz darauf in „Segment #1“ umbenannt zu werden.
Können die Überreste des zweitgrößten nationalsozialistischen Repräsentationsbau ein Ort für Kunstfreiheit sein? Wie verhindert man, dass beispielsweise Rechtsrockbands dort einen Proberaum bekommen? Wird Richard Wagner in Zukunft aus dem Spielplan der Oper gestrichen werden? Warum dürfen dort Partys stattfinden? Wer geht überhaupt in die Oper, wer besucht das Dokumentationszentrum? Wie kann es sein, dass der Denkmalschutz von Seiten der Verantwortlichen von Stadt, Staat und Bund gezielt übergangen wird und sich kritische Stimmen nicht äußern dürfen? Warum intressiert das alles eigentlich so wenige?
Ich stehe ungefähr in der Mitte des Eingangs zum Innenhof des Nazi-Baus. Ich drehe mich im Kreis und filme dabei die unverkleideten Ziegelsteinwände der Kongresshalle mit meinem Smartphone, während die Sonne untergeht, Raben krähen und die „Nürnberger Symphoniker“ im südlichen Kopfbau klassische Musik spielen. Letzteres lässt bereits jetzt schon erahnen, wie es sein wird, wenn die neue Oper dort steht.
Ohne Titel (ad interim) ist ein persönliches Zeitdokument, dass ausdrückt, wie schwer die realen und virtuellen Dimensionen um diesen Ort zu fassen und zu vermitteln sind. Ich möchte den Schwindel nachempfinden, den ich fühle, in Anbetracht der Informationsmenge, der Ideologie der Verbrechen, der erzwungenen Umnutzung im Zeichen von Kunst und Kultur durch die verantwortlichen Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der Stadt Nürnberg. Ich will die schweren Mauern abscanen, um jeden einzelnen Fleck zu erfassen, zu behalten, aber in schlechter Auflösung, um das Gebäude nicht zu überhöhen. Verschiedene Ausschnitte erzeugen, aber ohne auf das Ganze zu verzichten.
Video ist ein Medium, dass dokumentarische Objektivität behauptet, aber durch die Kameraführung zugleich Persönlichkeit transportiert, den subjektiven Blick. Dabei wird die mediale Objektivität nur wenig angetastet, alles scheint weiterhin faktisch. Es ist meine Entscheidung. Ich möchte keine Schnitte, sondern es aushalten, in Echtzeit. Eine Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe im Land der Täter*innen, in dem sich rechtsradikale Kräfte in Öffentlichkeit und Politik wieder frei und unabhängig bewegen. Eine Entwicklung, die weltweit zu beobachten ist.
Der Innenhof ist aufgrund der Sanierungs- und Umbauarbeiten aktuell nicht mehr zugänglich. Mit dem Neubau des Opernhauses und der entsprechenden Erschließung des Innenhofs wird die ursprüngliche Architektur der Kongresshalle, die als Mahnmal den Größenwahn der Nationalsozialist*innen erfahrbar werden lässt, unwiderrruflich verloren sein.
Text: Julius Jurkiewitsch